Kleine EXPO ganz groß! Weltausstellungen mit Nachhaltigkeitsanspruch

Umweltthemen seit den 80ern Geschichte der kleinen Expo II

Nachdem im ersten Teil die Entwicklung der kleinen EXPO seit den 1930er Jahren unter die Lupe genommen wurde, folgen wir dem Experten für Weltausstellungen Dr. Thomas Schriefers im zweiten Teil auf eine Erkundungstour zu ausgewählten Standorten seit den 1980er Jahren. Im Fokus stehen gemäß des Zeitalters innovative Technologien und eine damit einhergehende Fokussierung auf Umweltprobleme und nachhaltige Lösungen. Hohe inhaltliche Ansprüche und spektakuläre Umsetzungen – etwa mit Riesenaquarien – sind bis heute ein Garant für hohe Besucherzahlen und beweisen, dass das Wort „klein“ dem beigefügten Titel der Weltausstellungen keineswegs gerecht wird.  

Dr. Thomas Schriefers, Architekt, Kurator und Künstler 

Der Sicherung substanzieller Bedürfnisse widmeten sich die Knoxville World´s Fair (1982) und die in New Orleans veranstaltete Louisiana World Exposition (1984). Während in Knoxville aber die Bedeutung der Energie in den Mittelpunkt der Ausstellung rückte, warb New Orleans mit dem Slogan „Frisches Wasser als Quelle des Lebens“. Damit verband sich das Interesse am Zustand der Flusslandschaft generell und im Besonderen mit dem Zustand am Missisippi-Delta. Denn New Orleans galt als gefährdete Metropole, die aufgrund ihrer Lage durch extremes Wetter und daraus resultierende Wassermassen empfindlich getroffen werden konnte, was die 2005 infolge des Hurrikans „Katrina“ tatsächlich eingetretene Flut-Katastrophe dort auf tragische Weise bestätigte.

Die EXPO in der am Mississippi-Delta gelegenen Stadt New Orleans stand unter dem Motto „Frisches Wasser als Quelle des Lebens“. Auf die 1985 im japanischen Tsukuba veranstaltete Technologie-Expo antwortete schon ein Jahr später das kanadische Vancouver mit der EXPO ´86, welche dazu einlud, eine „World in Bewegung“ zu erleben. Verkehr und Kommunikation standen im Vordergrund einer Technologie-Euphorie, welche damals allerdings durch die Explosion des US-amerikanischen Raumgleiters „Challenger-Space-Shuttle“ und die Atomreaktor-Katastrophe in Tschernobyl massiv in Frage gestellt wurde.

Weltweit im Fokus: „Saubere“ Technologien und die Rettung der Meere

Dem in Vancouver vorgetragenen Fortschrittsglauben setzte die Brisbane EXPO ´88 das positive Bild erklärt sauberer Technologien gegenüber. Dem Leitmotiv der „Freizeit im Zeitalter der Technologie“ folgend, beschwor man eine Ära der Freizeit und das Bild einfallsfroher Menschen, die kommunikativ und friedfertig, mobil und dynamisch leben. Es folgten weitere Weltausstellungen im italienischen Genua (1992) und südkoreanischen Taejon (1993), wo man begann, sich verstärkt mit nachhaltigen Lösungen für Umweltprobleme auseinanderzusetzen. „Saubere“ Technologien wie die elektromagnetische Transporttechnik oder solarbetriebene Fahrzeuge standen nun hoch im Kurs.

 

Weltausstellung mit Riesenaquarium in Lissabon 1998. Ähnlich wie schon in Spokane (1974) entschied man sich in Lissabon (1998), eine urbane Industriebrache mittels EXPO umzuformen. Dazu nahmen die Organisatoren das in Genua (1992) wieder aufgenommene Thema der Wasserweltausstellungen auf und diskutierten auf Grundlage der Beschlüsse der internationalen Konferenz von Rio de Janeiro (1992) die Bedeutung der Ozeane als „Erbe für die Zukunft“. Schließlich verlangte der Artikel 17 der dort verabschiedeten Agenda 21, Ozeane und Küsten besonders zu schützen. Den Höhepunkt der Ausstellungsattraktionen bildete die Eröffnung des Riesenaquariums, dessen zentrales 6000 Kubikmeter großes Becken 15000 Meeresfische aufnahm: Rochen, Haifische und Riesenschildkröten bevölkern eine hinter Panzerglasscheiben eingerichtete Meeresfauna und die simulierten Biosphären der Ozeane. Bis heute gilt das Aquarium als besondere Sehenswürdigkeit in Lissabon: ebenso, wie die gesamte Ausstellungsanlage, die sich längst in einen lebendigen Stadtteil verwandelt hat, in dem ehemalige EXPO-Bauten nach wie vor bestehen und ihren festen Platz einnehmen. Anders erging es den Bauten der EXPO 2005 im japanischen Aichi, die nach der Beendigung der Weltausstellung weitgehend demontiert wurden, um einer groß angelegten Parkanlage Platz zu machen. Aichi markiert den Beginn einer konsequent verfolgten Weltausstellungspolitik, nach der nun zuverlässig alle fünf Jahre eine „kleine“ Expo stattfindet.

Mäander-Konstruktionen in Saragossa 2008. Die EXPO in Saragossa stand 2008 unter dem Motto „Wasser und nachhaltige Entwicklung“. Neben 3 großen Themenpavillons hatte man am Ufer des Ebros ein Kongresszentrum, ein Süßwasser-Aquarium für 5.000 Wassertiere aus fünf Flüssen aller Kontinente und eine zweistöckige Glasbrücke über den Fluss errichtet. Die teilnehmenden Nationen fanden in einer organisch geschwungenen Betonkonstruktion Platz, welche über die Ausstellungsfläche mäanderte. Die einzelnen Pavillonboxen der Nationen wurden darin eingeschoben, wie Schubladen in eine Kommode.

Wellenartige Bauformen auch in Yeosu 2012. Gleiches gilt für das Ausstellungsgelände der EXPO 2012, die im südkoreanischen Yeosu stattfand und sich dem Schutz der Ozeane und Küsten widmete. Dem Thema entsprechend, zeigte sich die alle internationalen Pavillons aufnehmende Großstruktur als zusammenhängende Ausstellungslandschaft. Die wellenartige Form des alle Einheiten überdeckenden Dachwerks erinnerte an eine wogende See, an die Bewegung des Meeres und organische Wirkungsweisen. Das Erdgeschoss durchzogen Grünstreifen, die im technisch anmutenden Komplex als Oasen fungierten. Da die Dachkonstruktion partiell perforiert und geöffnet war, wurde das Innere der zweigeschossigen Anlage mit Tageslicht und Frischluft versorgt. Das kontrastreiche Spiel von Licht und Schatten belebte die vielen unter der Konstruktion verlaufenden Gänge, Plätze und Stege als Verkehrsflächen einer topografisch überformten EXPO-Stadt als Bild einer Welt, die sich unter einem Dach versammelt.

 

Damit knüpfen die „kleinen“ Weltausstellungen an die Tradition der monumentalen Ausstellungspaläste an, welche im 19. Jahrhundert eine gesamte Ausstellung aufnehmen konnten. Den Londoner Kristallpalast hatte man deshalb auch als eine Art „Arche“ bezeichnet. Überträgt man dieses Bild auf die ausgedehnten Hüllenkonstruktionen der modernen EXPO-Welt, dann versammelt sich dort die Weltzivilgesellschaft im gemeinsamen Haus, wo sie sich unter dem Expo-Dach für kurze Zeit friedlich durchmischt.

Ein erster Blick auf die Anlage der EXPO 2017 zeigt, dass man diesem Konzept auch in Astana folgt. Der inhaltliche Anspruch ist hoch, proklamieren die Veranstalter doch eine auf der Verwendung von regenerativen Energien basierende 3. Industrielle Revolution. Davon leitet sich das Thema „Energie der Zukunft: Maßnahmen für weltweite Nachhaltigkeit“ ab, für das sich Kasachstan als eines der rohstoffreichsten Länder der Welt empfiehlt.

Über den Gastautor:

Dr. Thomas Schriefers ist der Messebranche als Experte für Weltausstellungen bekannt. Der Kölner Architekt, Kurator und Künstler erklärt in zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen die Architektur von EXPOs. Er hat eine Reihe von Büchern geschrieben, darunter „WELTAUSSTELLUNG(S)ARCHITEKTUR. Geträumt, geplant, gebaut – abgerissen!“, das 2013 vom AUMA herausgegeben wurde. Im Expo-Jahr 2015 reiste Dr. Schriefers 17 Mal nach Mailand, um Besuchergruppen zu begleiten, darunter auch die Delegation des AUMA. Er war Mitglied der Jury, die in Mailand die Expo-Awards vergab. Auch für die Expo 2017 wird Dr. Schriefers einige Male in Astana sein, um Architekten und Messeleuten die Expo zu erklären. / Foto: © C. Rose/Akademie der Architektenkammer NRW gGmbH

Mehr zum Autor und seinen Veröffentlichungen finden Sie hier: www.thomasschriefers.com

 

Lesen Sie hier den ersten Teil des Beitrages von Thomas Schriefers:
„Kleine EXPO ganz groß! Weltausstellungen mit Nachhaltigkeitsanspruch

Der Schutz der Ozeane und Küsten war erneut Thema der Expo im südkoreanischen Yeosu im Jahr 2012. – © AUMAVon den Anfängen bis zu den Meeres-Expos in den 70ern: Frühere Expos konzentrierten sich stärker auf die Bedeutung des Elementes Wasser für unsere Welt, z. B. die Internationale Wasser-Ausstellung, die 1939 in Lüttich stattgefunden hat. Das Thema nahm man später Okinawa, in New Orleans, in Genua, Lissabon, Saragossa und Yeosu. [mehr]

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