Rechtsprechung zur Produktpräsentation auf Messen

Chancen und Risiken für Rechteinhaber und Aussteller

Messen sind kein rechtsfreier Raum. Vor diesem Hintergrund sehen sich Aussteller mit für sie essentiellen Fragen konfrontiert: Was darf auf einer internationalen Messe präsentiert werden und wie verhält es sich dabei mit den Schutzrechten? Gastautor Dr. Sascha Abrar, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Düsseldorfer Kanzlei Löffel Abrar, kommentiert dazu drei Gerichtsurteile des Bundesgerichtshofs. Er beschäftigt sich darin mit den Rechten aller Beteiligten und erkennt für Aussteller Möglichkeiten, sich vor Schutzrechtsverletzungen wirksam zu schützen.

Der Messestandort Deutschland hat international eine enorme Bedeutung. Laut Messe-Branchenverband AUMA kommt über die Hälfte der Aussteller aus dem Ausland, davon ein Drittel aus Ländern außerhalb Europas. Die rechtliche Kehrseite dieser Internationalität ist die Tendenz in der Rechtsprechung, Schutzrechtsverletzungen durch Aussteller zu verneinen, weil (angeblich) kein Bezug zu Deutschland vorliegt. Zudem können häufig nur ganz bestimmte Benutzungsformen untersagt werden. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Ausstellung von urheberrechtlich geschützten Stühlen. Die Rechtsprechung lässt Rechteinhabern aber auch Spielraum, um auf der Messe erfolgreich zu sein.

Urteil des BGH zum Urheberrecht

In der Entscheidung „Mart-Stam-Stuhl“ hat der BGH entschieden, dass allein aus der Präsentation eines Produkts auf einer inländischen Messe nicht ohne weiteres eine Urheberrechtsverletzung folgt (Urteil vom 23. Februar 2017, I ZR 92/16). Worum ging es?

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an „hinterbeinlosen Stahlrohrstühlen“ (Freischwinger). Die Beklagte stellte auf der internationalen und an Fachbesucher gerichteten Büromöbelmesse ORGATEC in Köln ähnlich aussehende Freischwinger aus.

Die Beklagte wies auf ihrem Messestand darauf hin, dass es sich um „Prototypen“ handele. Aus dem Messe-Prospektmaterial der Beklagten ergab sich zudem, dass ihre Freischwinger noch nicht bestellt werden konnten und sie sich Veränderungen der Stuhlmodelle ausdrücklich vorbehielt. Die Klägerin mahnte die Beklagte dennoch wegen Urheberrechtsverletzung ab.

Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass die Abmahnung im Hinblick auf das von der Klägerin als Verletzungen beanstandete Angebot und die Verbreitung der Stühle auf dem Messestand nicht berechtigt war. Der BGH sah dies genauso. Die Freischwinger der Beklagten fielen, so der BGH, zwar in den Schutzbereich der in Deutschland urheberrechtlich geschützten Stühle der Klägerin. Die Beklagte habe aber keine Vervielfältigungsstücke der klägerischen Stühle verbreitet (§ 17 Abs. 1 UrhG). Die von der Beklagten ausgestellten Exponate seien nämlich ersichtlich nicht zur Abgabe an Messebesucher bestimmt gewesen. Daher bestehe keine Gefahr für ein Verbreiten der Stühle.

Dennoch erzielte die Klägerin einen wichtigen Teilerfolg. Sie hatte gerichtlich immerhin erreicht, dass die Abmahnung bezüglich des Verbreitens und der öffentlichen Wiedergabe von Abbildungen der Stühle in den Werbematerialien und Katalogen der Beklagten berechtigt war. Selbst wenn der Urheber also nicht unmittelbar gegen ein ausgestelltes Produkt vorgehen kann, bleibt dies zumindest in Bezug auf Produktabbildungen in Werbematerialien möglich. Ohne Werbung kann der Aussteller das Produkt auf der Messe aber nicht mehr sinnvoll präsentieren – ein scharfes Schwert für den Angreifer.

Rechtsprechung zum Marken- und Wettbewerbsrecht

Auch – um ein weiteres Beispiel zu nennen – in der markenrechtlichen Entscheidung „Pralinenform II“ hatte der BGH restriktiv entschieden: Das Ausstellen eines Produkts auf einer inländischen Messe ist noch kein Indiz für dessen Anbieten oder Inverkehrbringen in Deutschland (Urteil vom 22. April 2010, I ZR 17/05). Ferrero ging aus seiner als Marke geschützten (Rocher-) Pralinenkugel gegen einen Wettbewerber vor, der auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln Pralinen ausstellte, die unverpackt ganz ähnlich wie die Rocher-Kugel aussahen.

Da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass die Beklagte die Pralinen auf der internationalen Messe tatsächlich „angeboten“ (verkauft) beziehungsweise „in Verkehr gebracht“ hatte, liefen diese Ansprüche ins Leere. Immerhin lag durch die Produktpräsentation eine „Bewerbung“ der Pralinen vor, gegen die der Markeninhaber grundsätzlich vorgehen kann. Auch hier erzielte der Markeninhaber also einen wichtigen Teilsieg, da ein Messeauftritt ohne Produktwerbung für den Beklagten nicht wirklich Sinn macht.

Ein Patentinhaber kann bei Patentstreitigkeiten leider schlechter gestellt sein als ein Markeninhaber, da das Patentrecht den Verletzungstatbestand des „Bewerbens“ ohne gleichzeitiges „Anbieten“ nicht kennt.

Fachmessen

Ein weiteres in der Praxis auftauchendes Problem ist die Fachbezogenheit vieler Messen. So hatte die Klägerin in der kontrovers diskutierten wettbewerbsrechtlichen Entscheidung „Keksstangen“ (Urteil vom 23. Oktober 2014, I ZR 133/13) das Nachsehen. De Beukelaer hatte aus ihren Mikado-Keksstangen gegen einen Wettbewerber geklagt, der auf der Kölner Süßwarenmesse nahezu identische Keksstangen präsentierte. Die Verpackungen wiesen deutlich sichtbar unterschiedliche Herstellerbezeichnungen auf.

Der BGH entschied, dass weder eine wettbewerbsrechtliche Herkunftstäuschung noch eine Rufausbeutung vorlag. De Beukelaer hatte hier das Nachsehen, weil es sich bei der Süßwarenmesse um eine internationale, ausschließlich dem Fachpublikum zugängliche Fachmesse handelt. De Beukelaer konnte nicht nachweisen, dass die Beklagte ihre Produkte auf der Messe gegenüber dem Verbraucher beworben hatte. In Bezug auf Verbraucher schied somit eine Irreführung bereits im Ansatz aus. Aber auch gegenüber dem Fachpublikum lag keine Irreführung vor, da die Messebesucher durch ihre besondere Fachkenntnis die Produkte aufgrund der unterschiedlichen Herstellerbezeichnungen nicht miteinander verwechseln würden.

Folgen für die Praxis

Will der Berechtigte auf einer Messe erfolgreich gegen potentielle Nachahmer vorgehen, muss er zuvor seine Hausaufgaben machen und umfassend recherchieren. Er sollte Nachweise sichern (Beispiele):

Nachweise zur Art der Messepräsentation:

  • Werden Werbematerialien oder Kundengeschenke in deutscher/englischer Sprache verteilt?
  • Werden die Produkte zum Verkauf angeboten?

Nachweise zur Messe selbst:

  • Handelt es sich um eine Verkaufs- oder Leistungsmesse?
  • Richtet sich die die Messe nur an Fachkreise oder auch an Verbraucher?
  • Ist die Messe überwiegend auf Unternehmen mit Deutschlandbezug ausgerichtet?

In vielen Fällen kann der Berechtigte zumindest erreichen, dass der potenzielle Verletzer die beanstandeten Produkte nicht mehr bewerben darf, insbesondere nicht über Werbematerialien. Wenn ein Vorgehen auf der Messe nicht möglich ist, sollte der Berechtigte umso sorgfältiger nachfolgend den Markt beobachten und kontrollieren, ob der Wettbewerber das Produkt später nicht doch im stationären Handel oder im Internet anbietet – ein rechtliches Vorgehen ist dann einfacher möglich als am Messestand.

Über den Gastautor

Dr. Sascha Abrar ist Partner der auf IP-Recht spezialisierten Kanzlei LÖFFEL ABRAR in Düsseldorf. Als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz hat er sich auf die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung von Unternehmen im Marken-, Wettbewerbs-, Design- und Urheberrecht spezialisiert. Der Fokus liegt dabei auf der strategischen Beratung und Rechtsdurchsetzung. Durch Mitarbeit in internationalen Markenrechtsgremien (INTA/Enforcement Committee und Marques/Unfair Competition Team) verfügt er über ein weit verzweigtes internationales Netzwerk, welches ihm eine grenzüberschreitende rechtliche Beratung ermöglicht. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit ist Dr. Abrar Dozent für IP an der Hochschule Düsseldorf. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Referent zu rechtlichen Themen des gewerblichen Rechtsschutzes.

Bildquelle: Bundesgerichtshof/Urteile

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