Messe Stuttgart: Nachhaltigkeit bereits 2010 ein Fundament gegeben

Messen und Nachhaltigkeit, das ist ein Thema, bei dem sich Stefan Lohnert nicht wegduckt. Als erster Interviewpartner im AUMA-Webtalk #NachhaltigeMesse hat der Geschäftsführer der Messe Stuttgart über die Nachhaltigkeitsbestrebungen des Messeveranstalters und Geländebetreibers gesprochen. Die deutsche Messewirtschaft befindet sich auf dem Weg zur Klimaneutralität und hat sich gemeinsam auf Meilensteine und Zielmarken verständigt. Steffen Schulze, Leiter Kommunikation und Marketing im AUMA, fragt nach, wie die lange Wegstrecke bewältigt wird. Dieses Mal geht es um An- und Abreisen bei Messen.

Lieber Herr Lohnert, unserer Webtalk ist Auftakt einer ganzen Gesprächsreihe zu den Nachhaltigkeitszielen in der deutschen Messewirtschaft. Sie haben gleich zugesagt. Wieso ist das wichtig für Sie gewesen?

Stefan Lohnert: Das Thema ist eine Herzensangelegenheit für die Messe Stuttgart. Unserem Nachhaltigkeitsengagement haben wir bereits im Jahr 2010 mit dem sogenannten Green Statement ein Fundament gegeben. Im Zuge dessen wurde 2012 der fairpflichtet-Nachhaltigkeitskodex der Veranstaltungsbranche unterzeichnet. Mit dem Beitritt zur WIN-Charta, der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit des Landes Baden-Württemberg, haben wir 2015 zukunftsweisende Standards gesetzt, an denen wir uns laufend messen. Seit 2017 berechnen wir unsere Emissionen und investieren kontinuierlich in deren Vermeidung und Reduktion. Seit 2019 gleichen wir unsere restlichen, aktuell unvermeidbaren Emissionen von Geschäftsaktivitäten im Nicht-Messebetrieb über international anerkannte Klimaschutzprojekte aus. Somit ist der Messestandort Stuttgart klimaneutral.

Einerseits wollen wir dadurch nicht nur die Bedürfnisse zukünftiger Generationen sichern, sondern auch an Attraktivität für Kundinnen und Kunden gewinnen, und andererseits die Identifikation unserer Mitarbeitenden mit dem Unternehmen stärken. Aus diesem Grund leisten wir uns seit einigen Jahren erfolgreich eine Beauftragte für Nachhaltigkeit.

Wir haben in unserem Gespräch einen Fokus auf umweltfreundliche An- und Abreise von und zu Messen gelegt. Was bietet die Messe Stuttgart hier an?

Das Messegelände ist vom Stuttgarter Stadtkern aus mit S-Bahn und Stadtbahn in rund 30 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Im Rahmen des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm werden Messe und Flughafen durch den Bau eines unterirdischen Bahnhofs künftig an das ICE-Netz angeschlossen, mit direkter Verbindung zum Stuttgarter Hauptbahnhof.
Die Messe Stuttgart und das ICS Internationales Congresscenter Stuttgart bieten mit dem Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) günstige Kombitickets an, die im gesamten VVS-Gebiet gültig sind. Bei allen Eigenveranstaltungen ist das Kombiticket im Veranstaltungsticket enthalten und ermöglicht Besucherinnen und Besucher die kostenlose und umweltschonende An- und Abreise.

Die Messe Stuttgart fügte Mitte April 2020 ihrem Angebot für alternative Mobilität ein weiteres Angebot hinzu: zwei kostenfreie Aufladestationen für E-Bikes und Pedelecs, sogenannte Charger Cubes, an den beiden Messeingängen im Osten und Westen. Im Herbst 2021 kam ein weiteres nachhaltiges Angebot für Radfahrerinnen und Radfahrer dazu: eine RegioRad-Station. Drei Fahrräder und zwei Pedelecs stehen an der Stadtbahn-Station „Messe West“ zum Entleihen bereit. Die Station hat einen direkten Anschluss zur Stadtbahn-Haltestelle der U6.

Und wer ein Elektrofahrzeug zur Anreise bevorzugt nutzt, findet hierfür auf dem Messegelände Lademöglichkeiten vor. Auf der Messepiazza befinden sich Strom-Ladesäulen der EnBW. Zusätzlich gibt es 15 mobile Ladesäulen auf dem Gelände sowie feste Ladesäulen vor und in der Tiefgarage der Messeverwaltung.

Wo geht die Messe Stuttgart beim Umwelt- und Klimaschutz voran?

In unterschiedlichen Bereichen: Beispielsweise befindet sich das Fertigstellen unserer Klimaschutz-Roadmap mit ambitionierten Zielen kurz vor der Ziellinie. Sie wird von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg, einer unabhängigen Dienstleisterin und Vordenkerin rund um Klimaschutz, Energieeinsparung und erneuerbare Energien, begleitet und unterstützt.

Zudem haben wir den Fokus auf Energieeffizienz bereits beim Bau der Messehallen berücksichtigt und stetig weiterentwickelt. Unter anderem mit Photovoltaik-Anlagen auf den Messedächern und auf dem Bosch-Parkhaus, durch eine effiziente Gas-Brennwerttechnik oder ökologisch fortschrittliche Klimaanlagen in den Hallen. Weitere Pluspunkte erzielen wir durch die Wärmerückgewinnungsanlage sowie eine energieeffiziente und moderne Veranstaltungstechnik. Ein weiteres Augenmerk gilt dem Ausbau und Vorantreiben erneuerbarer Energien. Dafür arbeiten wir ein Konzept für eine energetische Transformation aus, was z. B. das Aufstellen weiterer PV-Anlagen beinhaltet.

Schließlich haben wir eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, bestehend aus Messe-Mitarbeitenden, Mitarbeitenden der Entsorgungs-Servicepartner und des Beratungsunternehmens GlobalFlow, aufgestellt. Mit dem Ziel, zum einen die Emissionen, die aus der Abfallentsorgung resultieren, zu verringern, zum anderen wollen wir mithilfe der neuen Roadmap bis Ende dieses Jahres die vorhandene Infrastruktur weiterentwickeln sowie Anreize setzen, um das Abfallaufkommen zu reduzieren, das sortenreinere Trennen der Abfallqualitäten zu forcieren und die Recyclingquote zu erhöhen.

Wobei wünschen Sie sich Unterstützung für Ihre Vorhaben – und von wem?

Wir würden es begrüßen, wenn es einheitliche Standards für das Berechnen der CO2-Bilanzen gäbe, die für die gesamte Messe- und Veranstaltungsbranche gelten sollten. Hier wäre eine Unterstützung durch die Messeverbände sicher hilfreich. Um das Verringern von Emissionen voranzutreiben, die durch die An- und Abreise der Messeteilnehmenden verursacht wird, sind wir zum Großteil vom Schaffen attraktiver öffentlicher Verkehrsnetze und von den Weiterentwicklungen in der Automobil- und Flugindustrie abhängig. Daher würden nachhaltige Verbesserungen im Mobilitäts- und Reisesektor eine große Unterstützung bedeuten. Und dann müssen wir uns als Messe selbst noch mehr einbringen und die Angebote nachhaltiger Messestände forcieren. Zum Beispiel durch das Nutzen nachwachsender Materialien, die Reduktion von Rohstoffen, eine hohe Wiederverwendbarkeit der Materialien sowie eine ökologische Kreislaufwirtschaft. Und natürlich das Sensibilisieren unserer Partnerinnen und Partner, der Messestandbau-Firmen.

Ein paar Jahre vorausgeschaut: Worin wird die Messe Stuttgart 2030 in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz besser sein als 2022?

Das ist immer etwas spekulativ, aber klar ist, dass wir das Nutzen fossiler Brennstoffe deutlich verringern und im Gegenzug die erneuerbaren Energien ausbauen müssen. Dazu gehören auch das sukzessive Umstellen der Eigenlogistik und des Fuhrparks auf alternative Antriebe, das Reduzieren des Abfallaufkommens sowie das Anheben der Recyclingquote. Auch die stärkere Integration von Nachhaltigkeitskriterien im Beschaffungsprozess sowie der Aufbau eines entsprechenden Lieferanten-Managementsystems sind wichtige Aufgaben für die kommenden Jahre. Schließlich steht das Erhöhen des nachhaltigen Angebots sowie von nachhaltigen Möglichkeiten für unsere AusstellerInnen, BesucherInnen und GastveranstalterInnen im Fokus. Auch das Informieren und Unterstützen als Entscheidungshilfe in Bezug auf An- und Abreise, Übernachtung, Messestandbau, Abfalltrennung, CO2-Fußabdruck-Rechner oder auf das Catering am Stand oder auf dem Gelände wird immer wichtiger werden.

 

Zur Person: Stefan Lohnert ist seit Anfang 2020 Geschäftsführer der Messe Stuttgart. Seit 2006 war er bereits als Bereichsleiter im Unternehmen tätig. Stefan Lohnert ist Bahnfahrer und verzichtet auf einen Dienstwagen.

Zum Webtalk #NachhaltigeMesse: Die Messewirtschaft in Deutschland ist unterwegs zur Klimaneutralität. In lockerer Folge spricht Steffen Schulze, Leiter Kommunikation und Marketing im AUMA, mit den Spitzenläuferinnen und -läufern der Messebranche über ihren durchaus anstrengenden Weg zum großen Ziel Klimaneutralität. Mit der Gesprächsreihe zu den Meilensteinen und Einzeldisziplinen des langen Laufs begleitet der AUMA den Weg der Messebranche mit Gesprächen über Hindernisse, Herausforderungen und Erfolge.

Foto: Messe Stuttgart / Montage AUMA

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