Haben analoge Events Zukunft? Diese Frage beantwortete Stephan Grünewald, Geschäftsführer des Rheingold-Instituts, vor den Mitgliedern des AUMA vor einigen Wochen mit einem klaren Ja. Dazu erläuterte er Analysen des Verhaltens von Einzelhandelskunden, deren Situation durchaus vergleichbar sei mit der von Messebesuchern. Der Kunde erwarte in einem Einzelhandelsgeschäft nicht nur die schlichte Möglichkeit zum Kauf, sondern es gehe ihm auch um soziale Nähe, um Inspiration, um die Wertschätzung von Produkten und um die eigene Statusverortung. Um dem gerecht zu werden, hätten z. B. die Supermarktketten unterschiedliche Erlebniswelten geschaffen oder arbeiteten konkret darauf hin. Der Kunde erwarte letztlich Stimmungs- und Erlebniswelten, die er im normalen Alltag üblicherweise nicht findet. Sinngemäß gelte das ebenso für Messebesucher, durchaus auch für den Fachmessebesucher.
Das klingt, auch bezogen auf Messen, nicht grundsätzlich neu. Und man kann sich auch fragen, wie viele Geschäfte heute diesen Erwartungen überhaupt schon entsprechen.
Aber noch interessanter ist die Frage, wie viele Messeveranstalter und Aussteller sich konsequent an den Erwartungen des Besuchers orientieren. Oder plant der Veranstalter nicht immer noch zunächst für den Aussteller, mit dem er vorrangig sein Geld verdient, und denkt nicht der Aussteller immer noch zunächst an seine Eigendarstellung und weniger daran, ob seine Standpräsentation den Erwartungen des Besuchers entspricht? Jedenfalls gibt es die besucherorientierte Messe schon seit gefühlten 30 Jahren als Ziel, und manchmal hat man den Eindruck, dass sich der Grundaufbau einer Messe nicht wesentlich verändert hat.
Der österreichische Dramaturg und Autor Christian Mikunda hat ja schon mehrfach die Innenansicht vieler Messehallen als „Gerümpeltotale“ bezeichnet, die dem Besucher keine wirkliche Orientierung biete, geschweige denn Inspiration oder Stimmungswelten. Vermutlich hat die Messewirtschaft bei allem Nach-vorn-Denken auch ein gewisses Beharrungsvermögen und vielleicht erwartet auch der Besucher gar nicht den ganz großen Neuanfang. Aber ob der Einzelhandel als Ganzes wirklich weiter ist, darf man auch bezweifeln.
Foto oben: Messe Frankfurt Exhibition GmbH / Pietro Sutera
Oliver Schmitt
Wes Brot ich ess...
To make a long story short: Warum etwas verändern, wenn es noch gut läuft? Viele Messen können doch vor Kraft kaum laufen. Sie haben sich starke Wettbewerbspositionen erarbeitet und auf denen sonnen sie sich – bisweilen etwas zu lange. Wenn dann die Haut rot ist, nützt auch die beste Sonnencrem nichts mehr. Es gibt jedenfalls keinen Schalter, den man zugunsten echter Besucherorientierung einfach umlegen könnte. Wenn einen dann die Aussteller in einer Drucksituation nach ihrer Pfeife tanzen lassen, werden all jene, die Besucherbedürfnisse vernachlässigt haben, wohl oder übel mitspielen müssen – anstatt mit loyalen Besuchern das Heft in der Hand zu behalten.