EXPO 2015: Die halbe Welt in neun Pavillons

Clusters – 72 Staaten in Gemeinschaftspavillons auf der Weltausstellung in Mailand

144 Staaten und 3 internationale Organisationen, das sind die offiziellen Teilnehmer an der Weltausstellung EXPO MILANO 2015, die noch bis zum 31. Oktober 2015 in Norditalien stattfindet. Sie alle zeigen, was sie zur nachhaltigen Versorgung der Welt mit Lebensmitteln und Energie beitragen. Sie werben für sich mit teils atemberaubender Architektur und nicht wenige auch mit aufwendig gestalteten Informationsangeboten. Wie weit die Schere jedoch zwischen armen und reichen Ländern geöffnet ist – auch das bekommt der Besucher auf der Expo in Mailand zu sehen.

EXPO 2015 - Clusters: Reis - Kambodscha / © Stefan Dömelt/comrheinErstmalig auf einer Weltausstellung gibt es nämlich Gruppenpavillons, neun so genannte „Cluster“. Die Fläche darin wurde 72 Staaten, die zum Teil zu den ärmsten der Welt zählen, kostenlos zur Verfügung gestellt. Damit sind dort die Hälfte aller Teilnehmerländer an der Weltausstellung organisiert. Wenn man dem EXPO 2015-Veranstalter folgt, dann sind sie eine der Hauptattraktionen der Weltausstellung. Sie repräsentieren Gemeinschaften, zusammengestellt nach geografischen und thematischen Kriterien: Reis, Kakao & Schokolade, Kaffee, Früchte & Gemüse, Gewürze, Getreide & Knollengewächse, Bio-Mediterraneum, Inseln, Meer & Nahrungsmittel, Trockengebiete. Dabei geht es auch für diese Staaten um das Expo-Thema, den Planeten ernähren und Energie für das Leben, und immer aber geht es auch um Marketing.

 

Die Cluster-Pavillons unterscheiden sich zwar wenig von denen der reichen Länder, nur sind in diesen eben bis zu 14 Staaten untergebracht: verspiegelte Fassaden, luftige Holzkonstruktionen, große Markthallen, großzügige Wandelgänge, Gastronomie, mit Schirmen beschattete Ruhezonen, schön bepflanzt und vieles andere mehr. Der Blick ins Innere offenbart bisweilen aber auch die Unterschiede zwischen arm und reich. Statt starker Botschaften, die von großem Weitblick zeugen, statt breiter Informationen, die tief in das jeweilige Land schauen lassen, erwartet den neugierigen EXPO 2015 - Clusters: Getreide & Knollen - Das eine reift, das andere verdorrt / © Stefan Dömelt/comrhein Besucher nicht selten etwas, das thematisch irgendwo zwischen Wochenmarkt, Asia Shop, ITB und Anuga angesiedelt ist. Hier werden Taschen, Sandalen, bunte Tücher und Perlenketten in jeder nur denkbaren Ausführung ebenso feilgeboten wie Handgeschnitztes aus Ebenholz, Fingerfood, Kaffee und Tee in Tüten, folkloristische Darbietungen und Henna-Schminken. Daneben gibt es jede Menge Prospekte, die über die Schönheit des Landes und das lohnenswerte Reiseziel informieren. Aber weil es in diesem Sommer in Mailand so heiß ist wie in den ariden Gebieten der Erde, vertrocknen in so manchem Beet an den Pavillons genau diejenigen Pflanzen, um die es sich in den Clustern dreht.

 

Dass es auf der EXPO MILANO 2015 aber auch anders geht, das zeigt beispielsweise Ägypten im Bio-Mediterraneum: Zwar etwas touristisch angehaucht die Selbstdarstellung, aber informativ, interaktiv und man ist immer umsorgt von fleißigen Helfern. Überhaupt präsentieren sich die Mittelmeer-Anrainer nah am Expo-Thema und vermitteln lebhafte Kultur, eine große Vielfalt an Lebensmitteln und Pflanzen, wie im mediterranen Wandelgarten, dem Biodiversity Park. Oder Kambodscha im Reis-Cluster, wo viele Besucher vor dem Pavillon wohl zum ersten Mal mit eigenen Augen sehen, dass die kleinen weißen Körner tatsächlich Teil einer Pflanze sind. Gabun, das afrikanische Land am Äquator, glänzt im Kakao-Cluster mit einer umfassenden multimedialen Darstellung seiner natürlichen Ressourcen. In Äthiopien kombiniert man Gastronomie und Information auf eine beeindruckend einfache Weise: Besucher probieren die Kaffeesorten des Landes, und zwar in ihrer ursprünglichen Zubereitungsform. Im Kongo wird man zwar nicht gerne fotografiert, dafür wächst draußen vor dem Cluster Früchte & Gemüse alles, was viele sonst nur aus der Auslage im Supermarkt kennt. 2013 erklärten die Vereinten Nationen zum „Jahr  der Quinoa“, 2015 zeigt das Teilnehmerland Bolivien im Getreide-Cluster, dass „Inkareis“ oder „Andenhirse“ helfen kann, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen.

 

Dies und vieles andere auf der EXPO MILANO 2015 sieht der Besucher wohl zum ersten und vielleicht auch zum letzten Mal. Und gerade das macht eine Weltausstellung aus: Die Länder der Welt kommen an einem Ort zusammen. Sie zeigen sich selbst, ihre Ressourcen, ihre Kultur, ihre Ideen und ihre Menschen – und wir können sie in Mailand besuchen und ein jedes von ihnen ein bisschen näher kennenlernen.

Links

Gemeinschaftspavillons der EXPO MILANO 2015: Cluster

Orientierung auf dem EXPO-Gelände: Karte

 

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2 Kommentare

  1. Gruppenbeteiligungen bei Expos

    Die „Cluster“ sind nicht die ersten Gruppenbeteiligungen (Joint Pavilions) bei Weltausstellungen. Bei der Expo 2000 in Hannover wurden diese erstmals in größerem Umfang umgesetzt, z.B. der „Afrika Pavillon“ mit 22.000 qm und 40 Ländern unter einem Dach, Mitfinanzierung durch das BMZ als „Entwicklungshilfe“. Dieses in Hannover sehr erfolgreiche Konzept der Gruppenpavillons wurde umgesetzt bei der Expo 2005 in Aichi, der Expo 2008 in Zaragoza, der Expo 2010 in Shanghai (der „Africa Pavillion“ war mit 24.000 qm und 42 Länderpavillions der größte und mit 23 Mio Besuchern meistbesuchte Pavillon je auf einer Weltausstellung), ebenso wie bei der Expo 2012 in Yeosu.
    Diese Gruppenbeteiligungen waren geografisch definiert, neu ist bei der Expo 2015 Milano die themenbezogene Aufteilung.
    Gut finde ich, dass die „2. Liga“ bei der Berichterstattung der Weltausstellung ins Blickfeld rückt, immerhin die Hälfte der beteiligten Nationen – mit ein Spiegelbild der realen „Welt“.

  2. Danke für Ihren Hinweis und Ihre Ausführungen, Herr Radtke. Selbstverständlich gibt es auf dieser EXPO MILANO 2015 erstmalig „themenbezogene Gruppenpavillons“ auf einer Weltausstellung, und dann auch gleich neun davon.

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