Nachhaltigkeit ist ein drängendes Thema der Wirtschaft, auch der Messewirtschaft. Jeder Wirtschaftszweig wird auf seiner Fachmesse mittlerweile auch danach gefragt, wie er es mit der Nachhaltigkeit hält. Kunststoff und Nachhaltigkeit scheinen auf den ersten Blick kein Paar zu sein. Oder doch? Andrea Eppert, seit Kurzem Leiterin der Stabsstelle Corporate Social Responsibility (CSR) bei der Messe Düsseldorf, öffnet zusammen mit ihrem Kollegen Thomas Franken, Director Plastics & Rubber und verantwortlich für die im Oktober stattfindende Kunststoffmesse K, AUMA-Sprecher Steffen Schulze die Augen.
Liebe Andrea Eppert, du bist Leiterin der Stabsstelle Corporate Social Responsibility bei der Messe Düsseldorf – ist das eine schöne Aufgabe?
Andrea Eppert: Absolut! Es ist eine sehr vielfältige und spannende Aufgabe, durch die ich mit fast allen Bereichen unseres Unternehmens in Kontakt komme. Wir in Düsseldorf betrachten Corporate Social Responsibility ganzheitlich, das heißt unser Ziel ist nachhaltiges unternehmerisches Handeln auf ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Ebene. Aktuell bin ich damit beschäftigt, eine übergeordnete CSR-Strategie zu erarbeiten, die sich an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen orientiert, die für uns wesentlichen Themen in den Fokus rückt und zusammenführt, was bisher schon an Projekten und Initiativen zu dem Thema bei uns im Haus vorhanden war.
Daneben finde ich besonders spannend, wie wir als Messeunternehmen unsere Rolle als Innovationsbroker nutzen können, um zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen: Unsere Kernkompetenz ist es, Menschen zu vernetzen, Communities aufzubauen und Plattformen für Innovationen und neue Technologien zu sein. Wenn wir genau diese Kompetenzen in den Dienst der nachhaltigen Entwicklung stellen, können wir einen riesigen Impact erzeugen und durch die Verbreitung von nachhaltigen Innovationen die Transformation der Wirtschaft voranbringen.
Lieber Thomas Franken, die Kunststoffmesse K steht ab 19. Oktober für sieben Tage ins Haus, wohl die Messe zum Thema Kunststoff schlechthin. Ist das aber nicht eigentlich ein Widerspruch: Kunststoff und Nachhaltigkeit?
Thomas Franken: An der K kann man wunderbar sehen, was Andrea gerade beschrieben hat: Sie ist DIE Plattform für Innovationen in der Branche. Und damit auch zentraler Präsentations- und Umschlagplatz für die Innovationen, die zu mehr Nachhaltigkeit in der Kunststoffindustrie beitragen.
Die Kunststoffbranche hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten erkannt, dass sie aktiv werden muss und übernimmt jetzt Verantwortung, indem sie die nachhaltige Entwicklung ganz bewusst vorantreibt. Das bezieht sich einerseits auf emissionsarme und energiesparende Verfahren und Technologien in der Herstellung. Zur letzten K 2019 hat die Branche die Notwendigkeit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft entlang der gesamten Ressourcenkette unterstrichen und bereits konkrete Lösungen vorgestellt. Außerdem ist Kunststoff nach wie vor ein innovativer, unverzichtbarer und zukunftsweisender Werkstoff, der einen wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung und damit zum Klimaschutz leistet. Zum Beispiel durch Gewichtseinsparung bei Verpackungen oder längere Haltbarkeit von Lebensmitteln durch Kunststoffverpackungen. In der Mobilität führt Leichtbau zu deutlichen Kraftstoffeinsparungen. Und Kunststoffe sind unerlässlich für die Entwicklung von Technologien für erneuerbare Energien. Kunststoff und Nachhaltigkeit sind heute daher überhaupt kein Widerspruch mehr.
Die Messe bietet die idealen Voraussetzungen, um sich weltweit intensiv zu vernetzen, gemeinsam Projekte voranzutreiben und die Weichen für die Zukunft zu stellen, gerade auch was die Implementierung funktionierender Kreislaufwirtschaften und den Klimaschutz angeht.
Wie wird das Thema Nachhaltigkeit auf der Messe abgebildet?
Thomas Franken: Die drei Leitthemen der K 2022 lauten Klimaschutz, Circular Economy und Digitalisierung und sind eng mit dem Thema Nachhaltigkeit verwoben. Es wird nicht nur an den Ständen der ausstellenden Unternehmen omnipräsent sein – mit Schwerpunkt in Halle 9 –, sondern auch im Fokus der offiziellen Sonderschau der K 2022 stehen, deren Motto bereits zum dritten Mal in Folge „Plastics Shape the Future“ lautet. In dieser Sonderschau, die wir gemeinsam mit PlasticsEurope Deutschland organisieren, zeigen Branchenexperten an verschiedenen Thementagen in Podiumsdiskussionen und Vorträgen, wie Kunststoffe eine nachhaltige Zukunft gestalten können, welche Entwicklungen bereits heute Gestalt annehmen und welche Visionen morgen eine Chance haben. Dabei wird die Politik ebenso vertreten sein wie NGOs.
Außerdem wurde das Circular Economy Forum, das 2019 Premiere feierte, noch einmal deutlich erweitert und wird eine große Fläche mit mehreren Pavillons im Freigelände einnehmen. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA als Organisator und 13 seiner Mitgliedsunternehmen werden demonstrieren, welch wichtigen Stellenwert Technologie und insbesondere die Digitalisierung bei der Umsetzung von Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie hat. Bei laufenden Maschinen können die Besucher sehen, wie aus Kunststoffabfällen hochwertiges Re-Granulat hergestellt wird oder wie Rezyklate in verschiedenen Verarbeitungsverfahren zu attraktiven, hochfunktionalen und kreislauffähigen Produkten verarbeitet werden. Auch auf dem Science Campus, der seit vielen Jahren als fester Bestandteil zur K in Düsseldorf gehört, ist das Thema Nachhaltigkeit allgegenwärtig. Hier hat man die Möglichkeit, sich bei internationalen Hochschulen einen konzentrierten Überblick über wissenschaftliche Aktivitäten und Ergebnisse im Kunststoff- und Kautschuksektor zu verschaffen.
Messen sind Treffpunkt vieler, wenn nicht gar aller Akteure einer Branche. Wer trifft sich bei euch?
Thomas Franken: Tatsächlich alle. Die K in Düsseldorf ist für die internationale Kunststoff- und Kautschukbranche die führende Leistungsschau, wichtigste Informations- und Innovationsplattform sowie der bedeutendste Businesstreff. Hier treffen sich Aussteller und Fachbesucher, Global Player, aber auch Nischenanbieter ebenso wie Industrie und Wissenschaft zum offenen Austausch über lösungsorientierte Innovationen und nachhaltige Entwicklungen – und dies über alle Landesgrenzen und Kontinente hinweg. Auf Ausstellerseite sind in diesem Jahr 60 Nationen vertreten, auf Besucherseite waren es beim vergangenen Mal 169 Länder. Zum Fachpublikum der K in Düsseldorf gehören die verschiedensten Anwenderbranchen von Kunststoff und Kautschuk, darunter Medizintechnik, Verpackung, Elektronik, Chemie, Fahrzeugbau, Luftfahrt oder Bauwesen, um nur einige wenige zu nennen.
Erstmals werden in diesem Jahr auch Newcomer, die sich speziell der Entwicklung innovativer Lösungen rund um das Thema Kunststoff verschrieben haben, in der neuen K Start-up Zone mit dabei sein. Mehrere von ihnen widmen sich gezielt dem Thema Nachhaltigkeit. Außerdem ist auch der Nachwuchs auf der K 2022 vertreten. Unter dem Motto „kai – Sei dabei!“ hat der Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie bereits 2010 gemeinsam mit weiteren Verbänden sowie der Messe Düsseldorf die Kunststoff-Ausbildungs-Initiative kai ins Leben gerufen. Mit Aktivitäten, die von Ausstellungen über moderierte Diskussionsrunden bis hin zu Experimenten reichen, soll der Nachwuchs auch auf der K 2022 gezielt an die Branche herangeführt werden.
Andrea Eppert: Das meinte ich eben: Messen sind der ideale Ort, um im Sinn der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele Partnerschaften zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung zu schließen – über Ländergrenzen hinweg, entlang der gesamten Wertschöpfungskette einer Branche, quer durch alle Generationen und durch Impulse und best practices aus anderen Branchen und Verbindungen zu vertikalen Kunden-Industrien auch branchenübergreifend. So können wir als Messegesellschaft einen Beitrag zur Bündelung der Kräfte für das Erreichen der globalen Klimaziele leisten.
Was können andere Messen in Sachen Nachhaltigkeit von auf der Messe K lernen?
Thomas Franken: Ich würde sagen, zunächst einmal können andere Branchen von der Kunststoffbranche lernen: Und zwar dass es sich lohnt, nicht nur über Nachhaltigkeit zu sprechen, sondern sich auch auf den Weg zu machen. Wichtig dabei: Alle müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, so wie auf der K die Maschinenbauer, Rohstoffproduzenten und Anwender – und das auf globaler Ebene. Auf der K 2019 wurde dies besonders deutlich. Noch nie zuvor hatte sich die Branche so einstimmig einer Thematik angenommen und so geschlossen an Lösungen gearbeitet, wie bei den Themen rund um Umweltverträglichkeit, Ressourcenschonung und Abfallvermeidung. Gerade auf dem Gebiet Circular Economy konnten in den zurückliegenden Jahren enorme Fortschritte erzielt werden. Ich rechne damit, dass wir in diesem Bereich auf der K 2022 einen regelrechten Quantensprung sehen werden.
Messen wie die K in Düsseldorf müssen Trends und Herausforderungen ihrer Branche frühzeitig erkennen und nicht nur Präsentationsflächen, sondern auch Diskussionsforen schaffen, die Wissenschaft einladen und Best Practice Beispiele live erlebbar machen. Die K 2022 tut dies mit ihren bereits genannten Sonderflächen und Specials.
Und jetzt scharfer Blick auf euren eigenen Beritt: Wie nachhaltig ist der Standort Messe Düsseldorf?
Andrea Eppert: Ich sehe uns in Sachen unternehmerischer Verantwortung in jeder Hinsicht auf einem sehr guten Weg, weil der Nachhaltigkeitsgedanke zum Glück schon seit Langem fester Bestandteil unseres unternehmerischen Handelns ist. In ökonomischer Hinsicht war die Messe Düsseldorf schon immer ausgesprochen nachhaltig: Wir wirtschaften subventionsfrei, wir finanzieren traditionell alle Investitionen in Gelände und Portfolio selbst und sind auch ohne Zuschüsse durch die Corona-Zeit gekommen.
Wir investieren in Zukunftsbranchen wie autonome Systeme und Mobilität oder Nachhaltigkeitsthemen: In diesem Jahr steht bei uns mit der Solar Solutions noch eine neue Gastveranstaltung zum Thema regenerative Energien im Kalender und im September hat gerade die decarbxpo, unsere neue Eigenveranstaltung für die Dekarbonisierung der Industrie erfolgreich stattgefunden.
Wir haben traditionell eine erstklassige Reputation als Arbeitgeber mit sehr hohen Sozialstandards, haben schon seit Jahren zum Beispiel den Mindestlohn bei allen Dienstleistern im Corporate Governance Kodex festgeschrieben und sind bei uns am Standort ein engagiertes Mitglied der Stadtgesellschaft, unter anderem sponsern wir verschiedene Düsseldorfer Sportvereine.
Aber mit der Frage nach unserem Standort zielst du natürlich vor allem auf die dritte Säule der Nachhaltigkeit ab, die ökologische. Seit 2011 arbeiten wir kontinuierlich und erfolgreich an der Reduktion unserer Emissionen, indem wir ein Energiemanagementsystem eingeführt und umgesetzt haben, das jährlich auditiert wird. Im Zuge dessen konnten wir den Stromverbrauch bei Messen trotz größerer Ausstellungsfläche um bis zu 20 Prozent und den Heizenergiebedarf um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. Insgesamt haben wir seit 2011 jährlich zwischen 4.200 und 5.000 Tonnen CO2 eingespart. Seit Anfang dieses Jahres haben wir unseren Strombezug komplett auf Ökostrom umgestellt, was natürlich eine große Wirkung hat. Außerdem dekarbonisieren wir nach und nach unseren Fuhrpark. Und wir haben als eine der ersten Messegesellschaften ein damals vom Weltmesseverband UFI ausgezeichnetes LKW-Leitkonzept eingeführt, um die Auswirkungen am Standort zu minimieren. Das alles heißt nicht, dass nicht noch viel zu tun wäre.
Wir haben uns ja gemeinsam mit den anderen Messegesellschaften in unserer Branchenpositionierung verschiedene Ziele in neun Handlungsfeldern gesetzt, um als Unternehmen aber auch in der Durchführung unserer Veranstaltungen noch nachhaltiger zu werden und die angestrebte Klimaneutralität bis 2040 erreichen zu können. Aber die ersten Schritte sind bei uns gemacht und diesen Weg werden wir in den nächsten Jahren mit einer Vielzahl von konkreten Maßnahmen weiter verfolgen.
Kontakt auf LinkedIn: Andrea Eppert und Thomas Franken
Umwelt und ökologische Verantwortung bei der Messe Düsseldorf
K – The World’s No. 1 Trade Fair for Plastics and Rubber