Ob die Messe Frankfurt es schafft, bis 2025 zu 100 Prozent Ökostrom zu nutzen, beantwortete Energiemanager Christofer Starke im AUMA-Webtalk #NachhaltigeMesse mit einem kraftvollen Ja. Wie eine der größten Messen Europas es schafft, durch den Ausbau regenerativer Energien dieses Ziel sogar früher zu erreichen, beschreibt der Koordinator Facility Management und Mitglied des Sustainability-Managements der Messe Frankfurt im Interview mit Steffen Schulze, Leiter Kommunikation und Marketing im AUMA.
Christofer, danke für unseren Webtalk am 15. Dezember. Für alle, die so kurz vor Weihnachten nicht dabei sein konnten, hier noch einmal in Schlagworten: Wie schafft Ihr es bei der Messe Frankfurt, das Branchenziel, spätestens 2025 zu 100 Prozent Ökostrom zu nutzen, zu erreichen?
Christofer Starke: Der Verzicht auf konventionelle Energiequellen beim Strommix ist für die Messe Frankfurt ein Meilenstein in der Umsetzung ihrer langfristig angelegten strategischen Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit. Durch die vollständige Umstellung auf Ökostrom sparen wir jährlich rund 19.000 Tonnen CO₂ ein. Wenn man bedenkt, dass 80 Bäume ungefähr eine Tonne CO₂ kompensieren, wäre die enorme Anzahl von mehr als anderthalb Millionen Bäumen jährlich erforderlich, um so viel CO₂ einzusparen.
Außerdem unterstützen wir mit dem Wechsel die Wertevorgaben unserer Aussteller und Gastveranstalter nach einem umweltschonenden Messemanagement. Das Bewusstsein für eine nachhaltige Energieversorgung hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Und nicht zuletzt engagiert sich die Messe Frankfurt mit dieser Entscheidung auch für die ehrgeizigen Klimaschutzpläne ihrer Gesellschafter, der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen.
Ich habe von Dir erfahren, dass es der Messe Frankfurt seit 2014 gelungen ist, die Stromgrundlast bereits um 30 Prozent zu reduzieren. Wie macht man sowas?
Christofer Starke: Wir betreiben schon lange ein aktives Energiemanagement und haben festgestellt, dass Energiesparen vor allem Detailarbeit ist – im Großen wie im Kleinen. Unsere vom Energieteam beschlossenen Ziele werden deshalb in ihrer Umsetzung von einem eigens dafür zuständigen Energiemanager betreut und engagiert vorangetrieben. Denn die Vielzahl der Objekte auf unserem Gelände, ihre unterschiedlichen Bau- und Nutzungseigenschaften erfordern individuelle Anlagenanalysen. Aber auch viele kleine Maßnahmen, wie eine den Räumlichkeiten angepasste Klimatisierung oder eine funktionierende Gebäudeautomation, sind wesentlich für die Effizienz unseres Energiemanagements.
Hessen sind eher bescheiden, doch bitte jetzt nicht: Wo können andere von der Messe Frankfurt etwas lernen?
Christofer Starke: Seit mehreren Jahren haben wir bereits ein ÖPNV-Kombiticket für unsere Eigenveranstaltungen. Dieses Ticket ermöglicht, das perfekt an den ÖPNV angebundene Messegelände treibhausgasneutral zu erreichen. S- und U-Bahnen halten direkt an den Eingängen zum Gelände. Und Hauptbahnhof und Flughafen sind ebenfalls sehr messenah gelegen.
Sehr fortschrittlich sind wir auch, wenn es um die Herkunft unserer Energie geht. Für unseren Ökostrom ab 2024 haben wir einen konkreten Herkunftsnachweis, der aus Windparks bei Wilhelmshaven, dem Saalekreis und aus der Nähe von Köln kommt sowie aus dem Solarpark Boitzenburger Land zwischen Berlin und Stettin.
Wir können auch stolz darauf sein, wie wir der Herausforderung einer gewachsenen Liegenschaft begegnen: Wir wahren den Immobilienbestand und entwickeln ihn stets weiter für die Zukunft. Gleichzeitig ergänzen wir unseren Bestand durch Neubauten nachhaltig und zukunftsorientiert. Denn es ist ökologisch nachhaltiger, den Bestand zu ertüchtigen, als ihn rückzubauen und eine neue Messehalle zu errichten – insofern die baulichen Eigenschaften es erlauben.
Man merkt, Du bist mehr als nur reiner Energiemanager. Du hast auch viel Erfahrung im nachhaltigen Bauen und damit einen besonderen Blick auf Eure Gebäude – zum Beispiel auf die mehr als 100 Jahre alte Festhalle der Messe Frankfurt. Kannst Du Deine Perspektive nochmal teilen?
Christofer Starke: Der Neubau von Gebäuden trägt in hohem Maß zum weltweiten Treibhausgasausstoß bei. Um festzustellen, wie ökologisch nachhaltig ein Gebäude oder auch ein Baumaterial tatsächlich ist, muss dessen gesamter Lebenszyklus betrachtet werden. Erhebliche Einsparpotenziale bieten bestehende Gebäude, da diese durch ihre Bausubstanz die Emissionen über ihre Betriebsdauer bereits abgetragen haben. Dies hat einen positiven Einfluss auf die globale Erderwärmung. Als Best Practice hierfür kann unsere im Jahr 1909 eröffnete Festhalle genannt werden. Durch technische Sanierungen und einer nachhaltigen Betriebsführung ist dieses Objekt weiterhin ein fester Bestandteil unseres Messegeländes, sei es für Konzerte, Kongresse, Abendveranstaltungen oder Messen.
Ende 2022 wagen wir den Blick sieben Jahre voraus: Worin wird die Messe Frankfurt 2030 deutlich nachhaltiger sein als heute schon?
Christofer Starke: Wir wollen zukünftig weiterhin transparent unser nachhaltiges Handeln kommunizieren, alle Aspekte der Nachhaltigkeit sollen Teil unserer Services werden. Bis 2030 werden wir zusätzlich zu unserem derzeitigen Engagement ein messbares, auf kontinuierliche Verbesserung ausgelegtes Nachhaltigkeitsmanagement integrieren. Unser Ziel ist es, im Jahr 2030 nicht mehr die Frage zu beantworten, wo wir nachhaltiger sind, sondern wie wir den zukünftigen Herausforderungen – sozial, ökologisch und auch ökonomisch – durch unser Unternehmen begegnen können.
Zur Person: Christofer Starke ist gebürtiger Hesse. Er lebt an der hessischen Bergstraße zwischen Frankfurt am Main und Heidelberg. Christofer Starke hat in seinem früheren Job die Hochhäuser Frankfurts nach internationalen Gebäudestandards zertifiziert, darunter dem Standard der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, deren Aufgabe es ist, Wege und Lösungen für nachhaltiges Planen, Bauen und Nutzen von Bauwerken zu entwickeln und zu fördern. Christofer Starke ist seit 2017 Mitarbeiter der Messe Frankfurt. Er leitet das Energiemanagement.
Zum Webtalk #NachhaltigeMesse: Die Messewirtschaft in Deutschland ist unterwegs zur Klimaneutralität. In lockerer Folge spricht Steffen Schulze, Leiter Kommunikation und Marketing im AUMA, mit den Spitzenläuferinnen und -läufern der Messebranche über ihren durchaus anstrengenden Weg zum großen Ziel Klimaneutralität. Mit der Gesprächsreihe zu den Meilensteinen und Einzeldisziplinen des langen Laufs begleitet der AUMA den Weg der Messebranche mit Gesprächen über Hindernisse, Herausforderungen und Erfolge.
Foto: Messe Frankfurt